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Das HamsterRad der SelbstKastei – Mein eigener Weg von der Erziehung zur Beziehung

Hier erzähle ich Dir etwas Persönliches über mich und meinen eigenen BeziehungsWeg.

Mein Name ist Julia Stoch und aktuell bin ich 39 Jahre alt. Geboren wurde ich als Julia Schüler und dazwischen hieß ich einige Jahre lang Julia Oeder. Warum ich Euch genau dieses Detail als erstes mitteile?! Bereits jetzt wisst Ihr etwas sehr Wesentliches über meinen eigenen Beziehungsweg: Er verlief nicht immer „nach Plan“, dafür aber immer sehr in Beziehung mit den Menschen, die am engsten an meiner Seite waren. Dafür bin ich, vor allem meinen Eltern, meinen Geschwistern, meinem Exmann, meinem jetzigen Mann und meinen Kindern unendlich dankbar.

Besonders durch das ZusammenSein und Wachsen mit Euch, konnte ich endlich damit aufhören, mich selbst, meine Kinder und alle anderen Menschen um mich herum zu erziehen.

Als ich fünf Jahre alt war, war ich eher ein wildes Kind voller Ideen und mit ständig neuen Impulsen. Plötzlich wollte ich unbedingt Geige spielen, da ich es bei einer Freundin meiner Schwester begeistert gesehen hatte. Meine Eltern glaubten zunächst, dass ich noch zu klein sei, um es zu lernen. Aber ich war einfach so neugierig und schaffte es, sie von diesem Herzenswunsch zu überzeugen. Denn, darin war ich schon immer sehr gut! So kaufen sie mir eine Geige, organisierten eine Geigenlehrerein und brachten mich 1x pro Woche zum 20 km entfernten Geigenunterricht. Bereits nach den ersten Geigenversuchen hörte ich jedoch Sätze wie: Oh, das quietscht. Da musst Du aber noch viel üben! Sag mal, hörst Du nicht, dass Du schief spielst? Das Herausfordernde für mich war, dass ich selber den richtigen Platz für meine Finger erhören musste, um den Ton zu treffen. Das gelang mir manchmal, aber wohl zu selten. Mich selbst störte es zunächst nicht. Ich probierte und experimentierte. Ich wollte einfach spielen und mich ausprobieren. Ich hatte nicht das Ziel es gut zu können oder ein perfekter Geigenspieler zu werden. Doch die kritischen Stimmen von außen wurden von Monat zu Monat lauter. Ich sollte mehr üben, besser hinhören und mich mit Notenlehre beschäftigen.

Das anfängliche SPIEL wurde zum lästigen MUSS und die anfängliche FREUDE wich dem Gefühl, es NICHT GUT GENUG zu können.

Mein gesunder Impuls für meinen eigenen Selbstwert war, diese Erfahrung zu beenden und lieber etwas zu tun, das mir mehr Freude bereitet. Meine Idee: Klavier lernen, wie meine Schwester! Meine Idee: Ich drücke und der Ton stimmt. Dies stieß jedoch nicht auf Begeisterung. Zu viel wurde schon in mich investiert: Allem voran die Hoffnung, das ich einmal GUT und RICHTIG Geige spielen würde. So übte und lernte ich weiter. Nun ging ich ja auch zur Schule und dort wurde es zusehends zur Gewohnheit, Dinge zu tun, die ich tun musste. Irgendwann akzeptierte ich diesen Zustand als fest gegeben und als Teil meiner Selbst. Mein eigener innerer Kritiker war geboren. Erst in der Pubertät erwachte mein eigener Wille erneut in eine neue Blütezeit und ich fand die Kraft, wirklich „NEIN“ zu sagen. Ich beendete meine Geigenkarriere und habe seither – bis vor ein paar Wochen – keine Geige mehr zur Hand genommen, um nicht wieder erleben zu müssen, dass ich es einfach nicht gut genug kann! Warum erzähle ich Euch diese Geschichte?!

Meine Geigenkarriere war der Beginn eines inneren und äußeren Kampfes. Ich wollte zu einer Person heran wachsen, die endlich gut genug sein würde.

Ich meisterte diese Aufgabe scheinbar recht gut. Ich wurde ein ehrgeiziger Mensch und gab stets mein Bestes: Ich machte mein Abitur mit der Note 2,1. Ich studierte Psychologie im Schnelldurchlauf nebenbei und bekam fast ein Stipendium der Deutschen Studienstiftung. Ich machte mein Diplom mit der Note 1,1. Danach ging ich direkt für 8 Jahre in die Wirtschaft und machte „Karriere“ als Projektleitung in der Marktforschung einer Werbeagentur und als Beraterin einer Unternehmensberatung. Ich war in allem gut, aber empfand mich selber leider nie als gut genug. Darum lernte und übte ich weiter. Erstaunlicher Weise, wurde das Gefühl, nicht gut genug zu sein, dabei nicht besser, sondern immer schlimmer. Der innere Kritiker wurde lauter und lauter.

Irgendwann spürte ich – Dank einer Coaching-Ausbildung in der „Kunst des Zuhörens“ – dass ich in diesem Hamsterrad der Selbstkastei nicht weiter leben wollte. Ich kündigte meinen Job und erfand mich noch einmal neu.

Dieser Weg war nicht leicht und auch sehr schmerzhaft, denn ich musste mich erst an etwas erinnern: An MICH selber mit meinem bedingungslos wilden und gleichzeitig unbeschreiblich weichen Kern. Ich fand langsam aber stetig zurück zu meinem eigenen Selbst und meinen ganz individuellen Qualitäten. Ich hörte auf, gut und perfekt sein zu wollen und lies Stück für Stück den Wunsch los, ein Leben zu leben, das für andere erfolgreich erschien. Umso mehr ich das tat, umso klarer konnte ich wieder meinem Herzensweg folgen. Ich begann wieder das Geschenk des Lebens zu schätzen: Die Schwere und Anstrengung wich einer neuen Freude und Leichtigkeit.

So wechselte ich 2010 aus der Wirtschaft in den Kitabereich: Zunächst als Gruppenleitung einer Kinderkrippe, dann als Leitung der Einrichtung und später als übergreifende Pädagogische Fachberatung von vier Kitas. 2012 und 2014 kamen dann meine eigenen beiden Kinder zur Welt. Besonders durch das ZusammenSein mit Ihnen verstand ich jeden Tag mehr, dass es nicht darum geht, mich oder jemand anderen in eine Richtung zu ziehen, sondern mit mir selbst und den Menschen um mich herum in einer echten und empathischen Beziehung zu stehen. Endlich konnte ich mich wieder klar und deutlich sehen. Denn, ich wachse und lerne sehr gerne. Nur nicht auf die Art und Weise und zu den Zeitpunkten, wie andere es sich für mich erdacht haben. Auch interessiere ich mich für manche Dinge gar nicht und für andere dafür intensiver. Ich bin ich ein Mensch, der viele Ideen hat, jedoch wandeln sich Interessen auch immer wieder und das manchmal auch plötzlich und überraschend.

Heute sage ich: Ja, das ist meine Natur. Ich darf aufhören mich zu verbiegen und erwachse seither von Tag zu Tag wieder ganz bewusst in mein volles Potential!

Das Leben hat mich in den letzten Jahren so viele spannende Dinge gelehrt, die mein Leben und meine Beziehungen unglaublich bereichern. Wir müssen uns und unsere Kinder nicht erziehen, sondern dürfen freudvoll und intensiv in Beziehung sein. Empathie ist ein Wachstumsprogramm, das im Samen eines jeden Menschen enthalten ist. In der richtigen Umgebung entfaltet sie sich von ganz allein. Jeder Mensch hat dabei seine ganz eigenen individuellen Qualitäten, die so nur er selbst leben kann. Bewertungen, Konkurrenz und Wettkampf sind daher vollkommen überflüssig und hindern uns und unsere Kinder lediglich daran ihr vollen Potential zu leben.

Jeder darf sich zeigen mit seinen Wünschen und Bedürfnissen. Jeder darf sagen, wenn ihm etwas nicht gefällt oder er es nicht mag. Es liegt in unserer Natur unsere Handlungen an den Gefühlen anderer auszurichten, da wir voneinander abhängig sind. Das zu lernen ist ein natürlicher Prozess, der sich von ganz alleine entfaltet, wenn man darauf vertraut. Natürlich kann man diese Fähigkeit auch verlernen, wenn das innere System durch äußere Vorgaben und Regeln ständig übertüncht wird.

Ich habe daher für mich und meine Kinder ganz bewusst entschieden, uns nicht mehr zu erziehen. Stattdessen vertraue ich darauf, dass wir bereits gut genug sind und von ganz alleine in die Richtung wachsen, die die Natur für uns vorgesehen hat. Und zur Natur gehören natürlich auch die anderen Menschen, an denen wir lernen und uns ausrichten dürfen!

Im Impact Hub Munich nahm ich Juli 2017 nach rund 25 Jahren wieder eine Geige in die Hand und spielte „Amazing Grace“. Das unperfekte Spiel machte meinen Auftritt für die anderen so bemerkenswert. Näheres erfährst Du hier: https://www.kommboutique.com/friede-freude-wortwechsel-in-violett/ (Foto: andreamuehleck.com)

 

Über die Autorin:

Julia Stoch ist 39 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern (3 und 5 Jahre). Sie lebt und arbeitet in München. Sie ist Dipl. Psychologin, Lernbegleiterin für das Kleinkindalter, Familylab-Seminarleiterin, Coach in der „Kunst des Zuhörens“ und Entspannungspädagogin. Sie begleitet Familien und Kitas auf Ihrem Weg von der Erziehung zur Beziehung. www.lebensraumkita.de www.lebensraumfamilie.de

 

1 Kommentar

  1. Veröffentlich von Maria Klitz am 28. September 2018 um 22:55

    Ein wunderbarer, sehr persönlicher und emotionaler Artikel.
    Danke schön

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