Mach mit und befreie das STILLE KIND in Dir!
Ich hasse es, wenn ich meine Kinder still stellen muss, damit sie sich gesellschaftlich konform verhalten. Meine Kinder sind jetzt 3 und 4 Jahre und ich bin in den letzten Jahren ein wahre Künstlerin darin geworden, sie und mich vor Situationen zu bewahren, wo wir still sein MÜSSEN.
Neulich hatten wir ein Familientreffen, wo am Frühstückstisch gemeinsam beschlossen wurde, die Sonntagsmesse zu besuchen. Als meine Kinder das hörten, schrien sie laut und voller Inbrunst, HURRA! Sie lieben jegliche Unternehmungen mit Ihrer Großfamilie. Ich hingegen spürte ein Gefühl des Unbehagens.
Gerade noch hatte ich friedlich gefrühstückt und nun sollte ich mich in eine gefühlte Situation aus still sein MÜSSEN begeben.
Dann sah ich die leuchtenden Augen meiner Kinder und entschied mich, mitzukommen. Auf dem Weg zur Kirche, fühlte ich tiefer in mich hinein, was da eigentlich mit mir los ist. Wieso konnte ich einem Kirchbesuch nicht aus einer freieren Perspektive betrachten und ihm wie meine Kinder als spannendes Erlebnis freudvoll und gelassen entgegen fiebern. Schließlich bin ich Erwachsen, habe etliche Jahre der Selbstfindung, inneren Kindarbeit und Meditation hinter mir. Auch sehne ich mich doch im Alltag immer wieder nach Oasen der Stille, der inneren Einkehr, des Nichts tuns, um mich einfach mit mir selbst zu verbinden. War dafür nicht ein Kirchbesuch eine gute Gelegenheit?! Bei diesem Gedanken entschied ich mich im Auto ganz bewusst, den Kirchbesuch für meine eigene innere Einkehr zu nutzen.
In der Kirche angekommen, fühlte ich eine zwanghaft andächte Stille. Für meine Kinder hingegen schien der Besuch der Messe ein durchaus spannendes Erlebnis zu sein.
Sie lauschten andächtig den Gebeten und der Musik und bewunderten staunend alles goldene Funkeln und Glitzern im Raum. So konnte ich einfach da Sitzen, die Augen schließen und mich in meine innere Einkehr begeben, um mich SELBST zu spüren. Aber was da in mir war, war keine friedliche Stille, sondern wieder dieses Unbehagen vom Frühstückstisch. Dieses unangenehme Gefühl des still sein MÜSSENS, anstatt still sein zu DÜRFEN.
Und plötzlich viel es mir wie Schuppen von den Augen, warum es für mich immer wieder so mühsam war, zurück in diese friedliche Stille zu finden, anstatt sie einfach da sein zu lassen – die Leere, die LangeWeile, das NichtsTun. Diesen Moment zuzulassen, wo nichts ist, außer mir SELBST, dieser Moment, in dem ich ganz im Jetzt aufgehe, um der Stille zu begegnen und mich einfach in ihr aufzulösen.
Ich erinnerte mich in diesem Moment an meine erste Meditation vor vielen Jahren. Damals war ich eine Gefangene in meinem eigenen GedankenKarussell, unfähig die erstrebte friedliche Stille zu finden.
In dieser Kirche wurde mir wieder einmal meine langjährige und fortwährende Konditionierung des still sein MÜSSENS ganz bewusst. Ich erinnerte mich an meine Kindergartenzeit, wo ich beim Essen still sein musste, die vielen Jahre in der Schule, wo ich leise zu sein hatte, die langatmigen Kirchbesuche, in denen ich brav in der Kirchbank verweilte und mich bemühte, nicht zu laut zu singen. Es tauchten unendlich viele Momente meines Lebens auf, in denen ich still und ruhig sein MUSSTE, obwohl mein eigener Körper eigentlich laut und wild sein WOLLTE.
Und da formte sich plötzlich der erlösende Satz in mir: FUCK YOU STILLE!!!
So lange ich Stille in meinem Leben weiterhin als ein MÜSSEN empfand, konnte ich einfach nicht STILL SEIN. Ich fühlte in diesem Moment den unbändigen Mangel an Stille in meinem Leben und verstand, warum ich Stille immer wieder nicht zulassen konnte. Und genau diesen Zustand wollte ich seit Jahren meinen Kindern und möglichst auch allen anderen Kindern dieser Welt ersparen, indem ich Situationen zu vermeiden versuchte, in denen ich und (meine) Kinder still sein MÜSSEN.
Der natürliche Zustand des Menschen ist meiner Meinung nach, dass sich Momente des still SEIN und der Ruhe mit Momenten des laut und wild SEIN abwechseln.
Wann für den einzelnen Menschen welcher Zustand ansteht, wie lange und wie intensiv, ist individuell sehr unterschiedlich. Doch leider leben wir und unsere Kinder meistens ein Leben, in dem wir unserem ganz eigenen Rhythmus nach Stille und Wildheit nicht folgen können. Gerade Menschen, die ein großes Bedürfnis nach laut sein und Wildheit haben, finden oft schwierige Rahmenbedingungen im Kindergarten, der Schule oder am Arbeitsplatz vor.
Nun begriff ich aber zusätzlich noch einmal ganz deutlich, dass auch die Momente der Stille und der Ruhe im Leben der meisten Menschen keine selbst gewählten Oasen der inneren Einkehr sind, sondern einen unangenehmen Zustand des still sein MÜSSEN darstellen.
Kinder MÜSSEN bereits am Frühstückstisch der Eltern still sitzen und dürfen erst wieder aufstehen, wenn die Geschwister oder Eltern fertig gegessen haben. Danach geht es mit dem Auto oder der U-Bahn in die Kita. Auch hier MÜSSEN sie still sitzen und dürfen nicht zu laut schreien. In der Kita angekommen beginnt oft ein Marathon aus still und ruhig sein MÜSSEN. Und auch am Nachmittag im kleinen Innenhof oder in der Wohnung mit viel zu dünnen Wänden, ist es für viele Eltern schwer zu ertragen, wenn die Kinder mal so richtig wild und laut sind. So stecken wir und unsere Kinder oft fest.
Wir können weder still noch laut sein und verlernen von Tag zu Tag mehr darauf zu hören, was uns eigentlich unserer Körper gerade für ein Signal sendet. Wir hören nicht auf uns SELBST, sondern passen uns an den äußeren Rahmen an. Langfristig macht das natürlich krank. Uns selbst und unsere Kinder!
Tja, was ist nun der Weg aus diesem Teufelskreis heraus und warum schreibe Euch das alles eigentlich? Wie so oft in meinem Leben, war der erste Schritt der Veränderung das klare Erkennen dieser Mechanismen in mir selbst mit den dazugehörigen Konditionierungen. Seither ergibt es sich mehr oder weniger von ganz alleine, dass ich die Rahmenbedingen meines Lebens für mich fortwährend anpasse und überprüfe. Und, je mehr ich in meiner eigenen Balance ankomme, desto leichter fällt es mir auch den Lebensraum für meine Kinder immer besser an Ihre wahren Bedürfnisse anzupassen.
Und soll ich Euch was verraten: Seither kann ich es endlich wieder genießen, wenn meine Kinder so richtig laut und wild sind! Wir halten uns einfach zusehends mehr an Orten auf, wo wir einfach sein können, wie wir gerade sind und sein wollen.
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Mehr über meinen eigenen Weg von der Erziehung zur Beziehung, kannst Du hier lesen!
Über die Autorin:
Julia Stoch ist 39 Jahre alt, verheiratet und Mutter von zwei Kindern (3 und 5 Jahre). Sie lebt und arbeitet in München. Sie ist Dipl. Psychologin, Lernbegleiterin für das Kleinkindalter, familylab-Seminarleiterin, Coach in der „Kunst des Zuhörens“ und Entspannungspädagogin. Sie begleitet Familien und Kitas auf Ihrem Weg von der Erziehung zur Beziehung. www.lebensraumkita.de www.lebensraumfamilie.de